Untod oder Freiheit

by Sebastian Ladwig

Im Innern, da ist nichts als Leere. Marc Forsters Zombie-Katastrophenfilm World War Z hetzt seinen Protagonisten Brad Pitt auf der Jagd nach empfindungslosen Hüllen um die ganze Welt. Und regt den aufmerksamen Zuschauer nebenbei zum Sinnieren über die empathische Kraft des Kinos, das Bezugsgeflecht Mensch-Zombie/Schauspieler-Rolle und das politische Sendungsbewusstsein Hollywoods an

In der Philosophie ist der Zombie jemand, der sich in seinem Verhalten nicht vom gewöhnlichen Menschen unterscheidet, jedoch keinerlei Innenleben hat. Er ist also weder blutrünstig, noch halb verwest, er hat lediglich keinerlei Empfindungen, auch wenn er von solchen berichtet. Er ist funktional zum empfindsamen Menschen völlig identisch. Wenn er an einem schönen Sommerabend im Freien sitzt, wird er etwa die kräftigen Rottöne beschreiben, die am Abendhimmel zu sehen sind. Er wird den Geschmack des Weines, den er gerade trinkt, detailliert wiedergeben.

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Der einzige Unterschied zu einem gewöhnlichen Menschen ist, dass in ihm absolute Leere herrscht. Es fühlt sich nach nichts an, ein Zombie zu sein. Der australische Philosoph David Chalmers untersucht mit diesem Gedankenexperiment das Phänomen Bewusstsein und seine Verankerung in der physikalischen Welt und er bedient dabei eine alte Ungewissheit des Skeptikers. Woher weiß ich, dass du fühlst, was ich fühle, wenn wir denselben Sinneseindruck zu teilen scheinen? Woher weiß ich, dass du überhaupt etwas fühlst?

Ein ähnliches Phänomen finden wir im Kino wieder. Die Charaktere auf der Leinwand verhalten sich wie (mehr oder weniger) gewöhnliche Menschen und haben ganz offensichtlich ähnliche Wünsche und Ängste wie wir. Doch natürlich wissen wir, dass sie all diese Empfindungen nicht wirklich teilen. Wenn Brad Pitt in World War Z mit angsterfülltem Gesicht einer Herde wildgewordener Infizierter gegenübersteht, schaut er in diesem Moment natürlich in eine Kamera und nicht in den Abgrund der wahrhaftigen Apokalypse. Selbst der konsequenteste method actor mag erreichen, dass er in seiner Rolle aufgeht, die von ihm verkörperte, fiktive Figur jedoch spürt nichts. Und doch lassen uns gute Filme diesen Unterschied zwischen uns und unseren Doppelgängern auf der Leinwand vergessen. Wir werden empathisch, leiden und freuen uns mit ihnen und nehmen ihre Expertise manchmal gar mit in den eigenen Alltag. Manche Filme lassen uns die Leinwand-Zombies für 90 Minuten als vollwertige Gegenüber akzeptieren. World War Z ist so ein Film.

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